Zores: Musik abseits aller Hörgewohnheiten Jeden 1. Dienstag im Monat 21 - 24 Uhr bei Radio Z 95,8 MHz |
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Katja
Peglow/Jonas Engelmann (Hg.),
Riot Grrrl Revisited. Geschichte und Gegenwart einer
feministischen Bewegung
Ventil
Verlag, 2011 - 198 S., illustriert, € 16,90 Willkommen
zur Rückschau auf immerhin 20 Jahre Riot Grrrl. War da was?
Ausser einem legendenumwobenen Medienboykott? Und hat das für
heute überhaupt Bedeutung? Die
HerausgeberInnen des Buchs Riot Grrrl Revisited sind Katja
Peglow, Kulturwissenschaftlerin und Journalistin in Essen und
Jonas Engelmann, Literaturwissenschaftler und Testcard
Herausgeber aus Mainz. Ausser den beiden kommen im Buch zu Wort
Beteiligte von damals und Bewegte von heute. Somit
ist klar: Es wirkt weiter, wenn auch verändert. Bemerkenswertes
Beispiel sind nach wie vor die Ladyfeste. Auch in Nürnberg gab
es ein grossartiges, mit enorm viel Aufwand aller Beteiligten
auf die Beine gestelltes Ladyfest.
2011 gabs Feste ua in Darmstadt, Leipzig, Münster u.
Rostock. Andererseits stehen bei den Pop/Rock-Grossereignissen,
den Festivals, Gradmessern von Erfolg und Aufmerksamkeit. nach
wie vor reichlich wenig Frauen auf der Bühne. Ok, The Gossip,
Warpaint, Ellen Alien oder Janelle Monae. Geschenkt, das ist vor
allem Kommerz und bewusstseinsvernebelnder
Bullshit, wo sich junge Menschen beiderlei Geschlechts um einen
Alkausschank mit bezeichnendem Namen drängen. Egal, ein paar
davon sind vielleicht trotzdem für Veränderung aufgeschlossen.
So. Aber hier in Nbg. waren immerhin ua Thermals, Les Reines
Prochaines, Scream Club, The Coathangers, Men und einige mehr.
Lydia Lunch kam in die Desi, Doro Pesch in den Hirsch. Boy
kommen demnächst nach ER. Worse than Queer gibts am 21.1. im
K4, mit Ex Best Friends und zwei anderen tollen Bands. Im
Electrobereich tut sich überhaupt viel, im Folk, bei
Singer/SongwriterInnen, im Jazz. Nur, die Aussenwirkung fehlt
ein bisschen. Denn das gibt es auch, durch harte Arbeit,
Selbstbewusstsein und with a little help from Music Industry: Es
gibt die Liga der Ikonen: Immer noch Madonna, Shakira, Lady
Gaga. Das hat allerdings mit dem gewöhnlichen Leben nix zu tun.
Die Dinge, die angepackt werden sollten, spielen sich hier, vor
Ort ab, im Musikverein, im Kunstverein, der MuZ, der Desi,
meinetwegen im Hirsch. Es ist vielleicht nicht erstrebenswert,
dass Frauen in
tendenziell konservativen Genres wie Industrial (Maria Zerfall)
oder Black Metal (Darkened Nocturn Slaughtercult) spielen. Es
sollte allerdings auch nicht unvorstellbar sein. Riot Grrrls
haben sich in einer Umgebung durchgesetzt, die schon von Härte
und Machismo geprägt war. Sie wollten nie die netten
konsumorientierten Mädchen sein, die als Vorbilder nach wie vor
extrem präsent sind. Das wisst ihr ja alles. Riot
Grrl Revisited bietet nun aufschlussreiche Interviews mit
Jessica Hopper, Melanie Groß (übers Erwachsenwerde der Girls)
und mit Kerstin und Sandra Grether (Parole Trixi). Maren
Volkmann ist auf Spurensuche in den Nullerjahren. Julia Downes
befasst sich zitategesättigt mit Geschichte und Vermächtnis
der Bewegung und nebenbei unterschiedlichen Kulturen in den USA.
Gudrun Ankele dokumentiert Manifeste und Geschichten
feministischen Widerstands. Julia Gudzent berichtet aus ihrem
eigenen Leben über Girls to the front und über die zu überwindenden
Schwierigkeiten auf dem Weg, in a man´s world Konzerte zu
organisieren. Dazu finden sich Themen wie Film, lyrics und Körperpolitik
in diesem Sammelband. Mit Shut Up and Speak wird auch ein
aktuelles Berliner Spoken Word Projekt vorgestellt. Musik
an sich ist nicht so wichtig. Musik machen, Konzerte
organisieren, Flyer entwerfen, all das Tun und Netzwerken aber
schon und Frauen sollten ein selbstverständlicher Teil davon
sein. Riot Grrrl war und ist ein Anspruch auf Teilhabe,
Selbstbestimmung und einiges Anderes mehr, wie unterschiedliche
Ansichten darüber. Utopie sowieso. Zukunft kann nur gestaltet
werden, wenn mensch ein paar Vorstellungen darüber hat,
vielleicht beflügelt von Musik. Hans
Plesch für ZORES auf Radio Z, 3.1.2012 |